2. Beiratssitzung zum Projekt „Arm oder reich? - ein Café am Wittenberger Weg“
Die zweite Beiratssitzung fand am 24.11.2015 in der Alfred-Herrhausen-Schule, statt. Themen waren diesmal die Bauweise und die Gestaltung des Bauprozesses sowie die Diskussion der Möglichkeiten zur Finanzierung von Bau und Betrieb.
1.Aktuelle Aktionen
Vor den Sommerferien wurde als Test die Lehmbank auf dem zukünftigen Cafégrundstück gebaut. Der Test betraf das Zusammenarbeiten beim Bauen, die Annahme durch die Bewohner*innen und die Technik des Stampflehms. Der Test ist gelungen, die Bank steht weiterhin an ihrem Platz. Deutlich wird die Schönheit des Materials. Ziel ist, dass sie, trotz der Anfälligkeit dieser Technik durch Erosion, für die nächsten zwei Jahre dort stehen bleibt.
Zur Zeit arbeiten vier Klassen an Keramikfliesen für die spätere Unterwasserwelt in den Toilettenräumen und anderen Welten für die Waschbereiche und die Küche. Die Kinder modellieren ihre Ideen aus Ton.
Max Grütering und Lennart Efsing (Red Beard Interior, Studierende der Hochschule Düsseldorf, FB Innenarchitektur) sind daran interessiert im Rahmen eines Seminars oder Lehrauftrags, im Sommersemester 2016, Möbel für das Wiesencafé zu bauen. Die Ideenfindung und Modelle dazu könnten in einer Kooperation mit dem Berufsgrundschuljahr des Heinrich-Hertz-Berufskollegs entstehen.
2. Aktueller Stand der Dinge: Bauplan und Finanzierung
Der Bauantrag ist eingereicht und wird aktuell bearbeitet.
Die aktuelle Schätzung der Baukosten (abhängig von der gewählten Bauweise) beträgt 290.000,00€ zuzüglich Mehrwertsteuer und den Baunebenkosten, die vor allem die Leistungen der Fachingenieure enthalten. Wir gehen davon aus, dass wir die Fachingenieursleistungen, in Höhe von etwa 20.000,00€, als Spende erhalten werden.
Es sollten 400.000,00€ für den Bau akquiriert werden. Darin sind die Kosten für die Küche noch nicht enthalten.
Erläuterung:
Kostengruppe 3+4 (Baukonstruktionen und technischen Anlagen): 290.000,00 €
Kostengruppe 7 (Planungskosten für Architekt, Statiker, Ingenieure und Sachverständige, Gebühren für Baugenehmigungen, Bauversicherungen): 55.000,00 €
Netto: 345.000,00 €
zuzüglich 19% MwSt.: 65.550,00 €
Brutto: 410.550,00 €
Zur Finanzierung der Baukosten hatte Frau Nakelski vom Bauministerium des Landes NRW das Angebot eines zinslosen Darlehens vom Land NRW, im Rahmen der Städtebauförderung "Soziale Stadt", gemacht. Die Städtische Wohnungsgesellschaft wird ein Finanzierungsmodell entwickeln. Sobald dies vorliegt, bedarf es zur Umsetzung noch einer politischen Willenserklärung.
3. Die Bauweise
Im Anschluss wurde die Bauweise thematisiert. Eike Roswag stellte Möglichkeiten des Lehmbaus vor. Ein abschließendes Meinungsbild diente der Entscheidungsfindung.
Die Innenwand soll, in Zusammenarbeit mit Kindern, Jugendlichen, Anwohner*innen und Studierenden der Hochschule aus Lehm gebaut werden. Lehm bewirkt eine hohe Qualität der Wärme- und Feuchte- Regulierung. Die Sitzbank entlang der Außenwand im Gastraum kann ebenfalls aus diesem Material gebaut werden.
Die Außenwände sollen als Holzständerbau erreichtet werden.
Dem ging eine ausführliche Diskussion von Stampflehm, Beton, Weller-Technik, Kalksandsteinmauerwerk, Holzständerwerk vorraus. Aus Gewährleistungsgründen müssen die Außenwände von Fachleuten ausgeführt werden. Jugendliche und Helfer können nur partiell mitwirken.
Für Beton und Stampflehm ist eine stabile Schalung erforderlich, die einen erheblichen Kostenfaktor bedeutet. (Möglicher Ansprechpartner im Bereich Schalungsbau: PERI Gruppe)
Lehm mit Zement zu vermischen, sodass eine Art Magerbeton entsteht, hat zur Folge, dass das Material nicht mehr recyclingfähig ist. Eike Roswag erläutert, dass dies die baubiologische Qualität des Lehms zerstört und deswegen in Deutschland nicht verwendet wird. Bei Stampflehm muss, um die Witterungsbeständigkeit garantieren zu können, entweder mit großen Dachüberständen oder mit Kalkputz gearbeitet werden. Frau Glücks erwähnt Stampflehm bei Rekonstruktionsbauten in Xanten.
Technisch möglich wäre die Weller-Technik. Eike Roswag stellte diese eindrucksvoll vor. Er und Anna Heringer nutzten diese Bauweise für die METI – Handmade School in Rudrapur, Bangladesch.
Die Weller-Technik wurde in Europa bis vor 100 Jahren für eingeschossige dörfliche Bauten, ohne Holz und Ziegel, verwendet. Deren Wände sind ohne Putz witterungsfest, da die eingebrachten Strohfasern als Wasserablauf dienen. Es werden Schichten aufgeworfen, ohne Schalung, die nach dem Antrocknen beschnitten werden. Es ist keine weitere Tragstruktur notwendig.
Nachteilig sind der sehr hohe Arbeitskräftebedarf über mehrere Monate sowie lange Trockenzeit. Aus diesem Grund wird diese Technik eher im Rahmen von Sozialprojekten realisiert. In Deutschland wäre ein Projekt dieser Größenordnung revolutionär. Als Gründung würde ein Beton- oder Ziegelsockel benötigt.
Bei dieser Bauweise könnten die Kinder und Jugendlichen bei jedem Schritt (bei überschaubarer Gruppengröße) mit einbezogen werden, allerdings nicht im Sinne der Effektivität. Eine Gestaltung des Innenbereichs mit Lehm wäre unter intensiverem Einbezug der Kinder und Jugendlichen möglich.
Beton und Stampflehm benötigen jeweils massive, sehr kostenintensiven Schalungen.
Alternativen zum Lehmbau wären, als jeweils kostengünstigere Varianten, Holzständerwerk und Kalksandsteinmauerwerk möglich. Auch das Fundament könnte gemauert werden. Ökologisch betrachtet wäre in unseren Breiten eine hoch gedämmte Holzwand sinnvoll. Die Mehrheit der Anwesenden halten diese Bauweise für den Rohbau für sinnvoll.
Für die Außenhülle, schlägt Pablo Molestina Schindeln, als Alternative zu Putz, für den Witterungsschutz vor. Tim Rieniets greift diesen Vorschlag auf und ergänzt ihn durch den Vorschlag verschiedene recycelte Materialien zu verwenden und erwähnt einen großartigen, aus Coladosenblech gewebten Wandteppich. Ute Reeh schlägt vor alle geeignete Recyclingmaterialien auf dasselbe Maß zu beschneiden. Julia Hagenberg sieht in dem Verfahren die Möglichkeit sehr viele Menschen zu beteiligen und das Projekt auch für die Stadt zu öffnen.
Es wird deutlich, dass - neben den Kosten - die ökologischen Aspekte und das Maß der Beteiligung der Kinder, Jugendlichen und Anwohner*innen zur Entscheidungsfindung ausschlaggebend sind.
Meinungsbild zur Bauweise:
Julia Hagenberg:
- Bewusstmachung des Projektprozesses im Sozialraum, auch durch Aufruf zur Unterstützung in der gesamten Stadt. Die Kunstsammlung würde hierzu aufrufen.
- Betrachtung des sozialen Aspektes: maximale Zwischenräume für Mitgestaltung, Plattformen im städtischen Raum
- Recyclingmaterialien als Thema in der Kunst und Potenzial für Kreativität
- Einbezug in das Projekt für Studierende attraktiv machen, indem man dauerhaft mit der Hochschule kooperiert und das Projekt an ein Studienmodul (im FB Sozialwesen) anbindet. (Auch attraktiv für den späteren Cafébetrieb.)
Melanie Glücks:
- Verknüpfung von Kultur und Publikum (Beispiel: Schiffsbauprojekt in Xanten mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen)
- Partizipationsmöglichkeiten schaffen, wie Praktika. Perspektive Ausbildung.
Britta Schwecht:
- Die Entscheidungen über den Bau haben zwei Seiten: Prozess und Technik.
- Die Bewohner*innen des Viertels sollten mit einbezogen werden.
- Nach außen muss das Projekt publikumswirksam sein, sowohl im Viertel, als auch in die Stadt hinein.
- Es braucht viel Zeit und Energie.
- Die Außenhülle muss für die Bewohner*innen interessant sein, anlocken und zum Ort passen.
Peter Zerfaß:
- Technische Aspekte und Ästhetik vereinbaren. („Etwas Besonderes schaffen, aber zugleich die Kirche im Dorf lassen“)
- In welchem Maß kann und will sich die Bewohnerschaft der Siedlung beteiligen? Wie wird das Projekt, später das Café, in der Siedlung akzeptiert?
Pia Kalenborn:
- Neben den technischen Aspekten ist die soziale Komponente innerhalb des Viertels von großer Bedeutung.
Costa:
- Die Außenwände sollten von Fachleuten gebaut werden und den Innenausbau übernehmen die Schüler*innen.
Dietmar Werner:
- Die Lehmbauweise ist sehr interessant, aber fraglich ist die Relation zum Arbeitsaufwand. Insbesondere auch der Zeitrahmen.
- Die Außenhülle kann als erste Erfolgsstufe betrachtet werden, dann folgt der kreative Innenausbau.
- Tendenz zu Ziegelmauerwerk.
Tim Rieniets:
- Lehmbau als Metapher: Es sollte keine schlüsselfertige Architektur sein, da es nicht zum Prozess passt, sondern um Haptik und architektonische Substanz gehen.
- Der Innenraum, mit seiner besonderen Gestaltung, steht im Mittelpunkt.
- Schindeltechnik als interessante Alternative. Sammlung von Recyclingmaterialien für Schindeln durch Recyclinghöfe (Einbezug der Stadt, Event im Sommer)
Fritz Ehrenstein:
- Die Schindeltechnik bringt schnellen Erfolg.
- Eine Bauweise als Holzständerbau ermöglicht den Rohbau in zwei Wochen aufzustellen.
Ute Reeh:
- Wenn die Finanzierung durch öffentliche Gelder von Stadt und Land gelingt, spricht dies für den Einbezug der breiten Öffentlichkeit in den Prozess.
Eike Roswag:
- Beispiel für ein gelungenes Sozialprojekt mit Lehm: „Kapelle der Versöhnung“ in Berlin
- Lehmbau ist eine Frage der Energie: Es kann als Projekt mit Studierenden und anderen sozialen Projekten und Maßnahmen gelingen. Auch der Einbezug der Siedlungsbewohner*innen ist denkbar. Das bedeutet ein Wagnis. Technisch ist Lehmbau für die Innenwand und für den Innenputz gut geeignet.
Ergebnis:
Die Außenhülle besteht aus Schindeln aus recycelten Kunststoffen und Metall, auf einer Unterlattung, darunter Holzständerwerk.
CNC-Fräsarbeiten können an der Hochschule Düsseldorf ausgeführt werden.
Die Brandschutzbedingungen müssen überprüft werden.
Ideen zur Umsetzung:
- Zusammenarbeit mit dem Abenteuerspielplatz vor Ort und den Abipapis (Eine Gruppe von Vätern, die sich auf dem Abenteuerspielplatz engagieren.).
- Materialsammlung in Zusammenarbeit mit den Recyclinghöfen aus der Umgebung.
- Beteiligung der Bewohner*innen und der breiten Öffentlichkeit durch ein Event im Sommer: Man bringt Material zur Baustelle mit, es wird vor Ort zu gesägt und man kann seine eigene Schindel selbst am Gebäude anbringen.
- Es sollte ein Materialtest durchgeführt werden, mit dem Ziel eine Ästhetik zu finden, in das sich die vielen verschiedenen Materialien eingliedern.
4. Beteiligung und Betrieb
Zum Abschluss der Sitzung wurde die Beteiligung der Schüler*innen und Bewohner*innen thematisiert und erste Eindrücke zum Aufbau des Cafébetriebs gesammelt.
Während des Bauprozesses flankieren die Schüler*innen den Prozess, es können punktuell weitere Bewohner*innen des Viertels einbezogen werden. Die Hochschule Düsseldorf wird sich im Rahmen der konstruktiven Ausarbeitung am Prozess beteiligen.
Das SOS-Kinderdorf hat sich interessiert gezeigt mit einer Gruppe unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter den Prozess zu begleiten.
In Bezug auf den Cafébetrieb sind grundsätzliche Fragen zu klären, die auch die Förderungsmöglichkeiten beeinflussen:
Wird es als Integrationsbetrieb betrieben oder gründen die Träger eine neue gemeinnützige GmbH?
Was ist das Konzept des Cafés – Mittagstisch, Cafébetrieb, Veranstaltungen,...?
Der LVR kann bei sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten pro Arbeitsplatz 20.000€ Investitionskosten fördern, plus einem Zuschuss für die Personalkosten.
Bei der Aktion Mensch gibt es verschiedene Wege der Förderung, je nach Betriebskonzept. Es kann z.B. ein Betriebsleiter oder Koch mit 50.000€ pro Jahr, über 5 Jahre, finanziert werden.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Betrieb bei dieser Lage (Standort ohne Laufkundschaft) und Größenordnung wahrscheinlich wirtschaftlich eher nicht tragfähig sein wird. In der Gastronomie rechnet man üblicherweise mit jeweils 30% für Betriebskosten, Wareneinsatz und Personal.
Nötig sind ein Konzept das die Mindestöffnungszeiten des Regelbetriebs festlegt.
Es soll keine Belieferung mit Essen geben, sondern eine Kultur des Kochens gelebt werden. Deshalb die Idee der Anbindung an die Schülerfirma der Schule.
Bitte an das Projektteam bei der Aktion Mensch zu fragen, welcher Förderzweig am sinnvollsten erscheint.
Ebenfalls möglich wären bezuschusste Gehälter, im Rahmen anderer Förderprogramme, auch inklusive Stadtentwicklung oder die Anbindung an arbeitspolitische Programme.
Als Möglichkeit für die Förderung der Küchenausstattung nennt Frau Glücks die Schaffrath Stiftung in Mönchengladbach.
Die Küchenplanung sollte so früh wie möglich von einem Profi unterstützt werden. „wqh – Die Hauswirtschaftsberater“ aus Wuppertal könnten sicher Empfehlungen aussprechen.
Anwesende: Costa, Schüler, Alfred-Herrhausen Schule
Dilara, Schülerin, Alfred-Herrhausen-Schule
Fritz Ehrenstein, Konstruktion und Holzarbeiten, Ehrenstein Holzbau
Melanie Glücks, Landschaftsverband Rheinland
Julia Hagenberg, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
Pablo Molestina, Dekan, Hochschule Düsseldorf, FB Architektur
Ute Reeh, Projektleitung, Schulkunst – Kunst verändert Schule e.V.
Tim Rieniets, Leiter StadtBauKultur NRW
Eike Roswag, Architektur mit Schwerpunkt auf nachhaltigem Bauen
Britta Schwecht, Fachberatung für Arbeits- und Firmenprojekte, FAF gGmbH
Dietmar Werner, SWD Düsseldorf (i. V. für Jürgen Heddergott, Vorstand)
Peter Zerfaß, Schulleiter, Alfred-Herrhausen-Schule
Protokoll: Pia Kalenborn, Projektassistenz, Schulkunst – Kunst verändert Schule e.V.
verhindert: Jürgen Heddergott, SWD Düsseldorf, Vorstand
Ursula Holtmann-Schnieder, Ratsfrau
Gregor Jansen, Kunsthalle Düsseldorf
Reinhold Knopp, Hochschule Düsseldorf
Rita McBride, Kunstakademie Düsseldorf
Thorsten Nolting, Diakonie Düsseldorf
Heinz-Werner Schnittker, skfm Düsseldorf