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Artists in Wittenberger Weg

Scheibe & Güntzel

Der Fisch

Spielen

Laut Wettervorhersage ist das der letzte Sommertag. Fallende Temperaturen sind zumindest für die nächsten zehn Tage angesagt. Es ist eine gewisse Herbstkühle zu spüren als ich um 7:30 Uhr die Künstlerwohnung verlasse, um beim Bäcker an der Kirche Brötchen zu holen. Ich komme an zwei Schulen vorbei, Schülerlotsen lotsen über Übergänge. Wie überall werden Kinder mit Autos gebracht, aus der nahen Siedlung kommen viele gelaufen. Der Bäcker hat Butterhörnchen. Ich lasse mir noch eines oben auf die Tüte, die offen ist da die Brötchen noch warm sind, legen. Nach dem Frühstück und Büro schlage ich mich durchs Unterholz des Buchholzes. Noch immer, bis auf einige trockenen Baumpilze, kein Pilz. Nach dem nächsten Regen wird es eine Schwemme geben. Statt Pilzen liegt viel Verpackungsmüll im Gesträuch: Chipstüten, Capri-Sonne, AXE-Sprühdosen. Auf einer Bank hat ein Pärchen ein kleines Kuchenbuffett aufgebaut. Mit Togo Kaffee. Sie scheinen aufgeregt, versuchen schon von weitem zu erkennen um wem sie es bei dem Wanderer handelt. Sie sind offensichtlich erleichtert als es von beiden Seiten kein Wiedererkennen gibt und grüßen mich freundlich. Ich laufe bis zum Haus Horst, einer weitläufigen Altenhainanlage. Mir kommmen Seehofer-Sprachwitze in den Sinn. Vor dem „Café Horst“ sind in einem Schaukasten mehrere Zeitungsausschnitte ausgestellt. Sie berichten über den ersten Rollator Übungspark in NRW. Er liegt hinter dem Zaun. Einige Rollatoren sind geparkt während sich die Rollatortrainees am Kuchen im Café stärken. Eine Auto mit OHZ-Kennzeichen fährt an mir vorbei. Ich muss an meine Zeiten in Worpswede denken. Ich vergleiche sogleich die Landschaft vor Düsseldorf Hilden mit dem Worpsweder Weyerberg und der Straße an den Pferdeweiden. Ein Stich Sentimentalität bleibt zurück als ich mich auf den Weg zurück zur Siedlung begebe. Zum Nachmittag treffen wir uns auf der Plaza. Die Presse ist geladen. Keiner kommt. Auch der Termin mit irgendjemandem wird sehr kurzfristig verschoben. Ein Stich Bitterkeit bleibt zurück. Dafür steht die Planung für die Veranstaltung morgen. Dafür können wir losziehen um die nächste Arbeit anzustoßen. Wir geben das Tracking-Gerät eTrex 10 in der Pizzeria Fantasia ab. Der Pizza-Fahrer legt es in das Auto und das Gerät zeichnet für eine Schicht das Bewegungsmuster im Stadtraum auf. Das Auto zeichnet. Die Konditorei Bäckerei TH in der wir einiges für die Veranstaltungen in den kommenden Tagen bestellen wollten hat den Betrieb geschlossen. Wir gucken uns anderweitig um und bestellen letztendlich 30 Brezeln in einer Filiale einer Bäckereikette. Als der Abend zur Nacht wird klopft es an der Tür. A. fragt ob wir eine geräucherte Forelle haben wollen. Ich mag geräucherte Forelle. Ich laufe ihr hinterher und befrage sie nach Herkunft des Fisches. In Mönchengladbach in der Nähe des Stellplatzes ihres Campingwagens liegt ein Angelteich. Ein „Forellenpuff“ wie sie sagt. Eine Abendkarte für zwei Angeln kostet 15 €. Immer wenn die Familie auf dem Campingplatz ist, gehen sie angeln. Die gefangenen Fische werden in einem der Räucheröfen am Platz oder in der Siedlung geräuchert. Mit Holz und Pellets. Die Öfen werden nicht gereinigt. Das runtertropfende Forellenfett macht im nächsten Räucherprozess den Geschmack. „Ein perfekter Räucherofen braucht 30.000 Räuchervorgänge bis die Forellen perfekt sind“, sagt ihr Vater, sagt A. Die große Forelle die A. mir in braunem Wachspapier in die Hand drück riecht so gut und perfekt nach Rauch das ich mehrfach eine Gänsehaut bekomme. Ich muss mich zügeln um nicht sofort reinzubeißen. Morgen zum Frühstück. Mit einem Toast oder auf Schwarzbrot. Fürs erste liegt der 30.000 mal geräucherte Fisch in unserm kleinen Kühlschrank. Öffnet man die Türe schaut einem die Forelle direkt in die Augen. Als sich die Pizzaschicht zu Ende neigt, die Nacht längst ist, gehen wir nochmal aus dem Haus. Den Schwarzen Weg runter in die Südallee, an der Kreuzung in die Koblenzer, links rein. Vor der Pizzeria sitzen zwei Männer und unterhalten sich über dies und das und jenes. Fabio der Chef bittet uns zum Tisch, lädt uns zum Bier ein, auf dem Unterarm seines Kumpels mit Glatze und lachenden Augen steht in geschwungener Tattoschreibschrift “Carpe Diem“. Der Pizzawirt und sein Kumpel erzählen; über Düsseldorf, Garath, die Siedlung und soziale Strukturen. Später kommt noch P. dazu. P. ist Koch aus Algerien. Er ist mit 15. nach Deutschland gekommen. In einem kleinen Holsteiner Dorf hat er dann gewohnt zwischen Bauern und Omas. Seine Drittsprache nach Französisch und Algerischem Arabisch war Holsteiner Platt bevor er irgendwann Deutsch gelernt hat. Das spricht er jetzt, nach 20 Jahren Ansässigkeit im Rheinland immer noch mit breitestem Nordzungenschlag. Wir fühlen uns heimisch am Tisch. P. arbeitet als freier Koch mal hier mal da. Er kocht nach Saison. Momentan in einem der Krüge. Gerade ist Oktoberfest mit Haxen, bald kommt der Gänsebraten, dann der Grünkohl. Wir übernehmen unser GPS Tracker. Heute ist der Fahrer zehn Touren gefahren. Durch die Siedlung am Schwarzen Weg ist er auch gekommen.