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Artists in Wittenberger Weg

Scheibe & Güntzel

Die Nüsse

Unter dem Nussbaum

Um zehn Uhr am Morgen scheint die Sonne zu hell zum Fotografieren. Nur durch den Blattfilter des Haselbaums gelingen Fotos der Nüssesammelnden. Ein Blattgrünschleier liegt über der Szenerie unter dem Baum. Der Haselbaum im Schatten der Autobahn. Die Landlustidylle der Sammelnden wird so aufgebrochen. Nach einer Stunde ist der Rucksack viertel voll mit Haselnüssen inklusive der paar Kinderhandvollen vom Vortag. Auf der Kameraspeicherkarte 129 Fotos. Um zwölf Uhr Mittags zieht es von West her zu. 129 Fotos werden sortiert, bearbeitet verschickt. Drinnenarbeit, Wolkenarbeit. Um drei kommt A. Wir setzen uns auf die Plattform, trinken Kaffe und sprechen über dies und das. A. erzählt darüber was in der Familie gekocht wird, meist Deutsches. Wenn das Heimweh ihres marokkanischen Vaters zu groß wird, stellt er sich in die Küche und kocht Tajin. Wenn keiner Lust zu kochen hat bestellt die Familie beim Lieferdienst. A. bestellt immer das Gleiche. Jägerschnitzel mit vielen Pilzen und Pommes. Dieses Jahr wächst in dem Garten ihrer Eltern nichts. Es war zu warm, schon im April. Sonst hat As. Vater ihr auf dem Boden sitzend zugeschaut beim Pflanzen und Zupfen und Ernten. A.s Vater nimmt immer Dönerbrot und ein halbes Hähnchen. Dazu Pommes. As. Mutter auch Jägerschnitzel. 22.50 €. Wenn A. zuhause eine Essenseinladung aussprechen würde, würde sie Pasta mit Garnelen machen. Die Garnelen anbraten und dann mit grüner Pestosauce unter die Spaghetti heben. Die Wolken werden dunkler, Westwind treibt sie übers Land. Erst für morgen ist Regen zu erwarten. Ich mache einen kurzen Abstecher in den Wald. Dem Riesenbovisten am Fuß der Autobahntrasse ist nicht recht zu trauen. Im Hoxbach, der als grader flacher Kanal vom Eselbach einverleibt wird, der dann in die Düssel fließt, die dann dem Rhein zustrebt steht ein Graureiher. Er fliegt nicht weg als ich vorübergehe. Auf dem Weg zurück winken mir die Mädchen die mir gestern vortanzten zu und fragen was ich heute so mache. „Spazieren“ sage ich. Sie wünschen mir einen schönen Tag. Um halb acht nehme ich den tragbaren Computer unter den Arm und gehe durch die Siedlung. Ich grüße hier und da, werde zurückgegrüßt. Ich setze mich auf die Steinmauer beim Basketballfeld klappe den Laptop auf und fange an zu schreiben. Die Wolken haben sich wieder entzerrt, trotzdem liegt noch der graue Wolkenfilter über dem Abendlicht. Die Autobahn rauscht wie Autobahnen rauschen. Der auffrischende Wind spielt mit der Blätterrassel der großen Färbereiche in einem der Siedlungsvorgärten. Viele Bewohner haben sich Lauben an die Klinkerrheihenhäuser gesetzt. Aus Fichtenbrettern und Welldach aus Polycarbonat. Einige Lauben sind geschmückt mit Lichterketten, viele Deutschlandfahnen erinnern noch immer an die für die deutsche Nationalmannschaft desaströs geendete WM. Im Wind wehen sie trotzig. Viele Gärten sind bestückt mit LED Solarlampen; Kugeln und Blumen, Lampions und beleuchtete Windräder, Schmetterlinge und Kristalle. Die Apartmenthäuser in der auch die kleine Künstlerwohnung liegt haben zwei Etagen. Sie erinnern an amerikanische Motelbauten die ich nur aus Filmen kenne. Auf beiden Etagen aussenliegende Wohnungstüren, diese blau gestrichen. Die Tür- und Fensterumrandungen sind weiß abgesetzt. Das harmoniert gut mit dem schon beschriebenen Zartrosa der Wände. Die Gänge vor den Türen werden beleuchtet vom fahlen Licht der Leuchtstofflampen. Ich fühl mich wie Bukowski als ich über die graue Steintreppe nach oben zurück in die Wohnung gehe und das Schreiben für heute einstelle.